D. Soyka: Vorgeschichte, Gründungsphase, Entwicklung 1979-91

In der nationalsozialistischen Ära war das Thema Kopfschmerz in Deutschland gesundheitspolitisch nicht erwünscht und förderungswürdig. In die gleiche Zeit lässt sich auf der internationalen Ebene der Beginn der modernen Kopfschmerzforschung datieren,

verbunden mit Namen wie H.G. Wolff, J.R. Graham und A.P. Friedman in den USA. Deutschland nahm also an dieser spannenden Entwicklung nicht teil und dies blieb auch nach dem Ende des 2. Weltkrieges zunächst so. Eine Ausnahme bildete der aus der Schweiz stammende H. Heyck, der an der neurologisch-psychiatrischen Klinik der Freien Universität in Berlin-Westend arbeitete und später Chefarzt der neurologischen Abteilung im westberliner Städtischen Rudolf-Virchow-Krankenhaus wurde. Heyck wurde durch interessante Migränestudien auch international bekannt und publizierte ein vorzügliches kleines Taschenbuch über den Kopfschmerz, das mehrere Auflagen und Übersetzungen in zwei Fremdsprachen erlebte. Nach Heycks Pensionierung entstand in Deutschland bezüglich der Kopfschmerzforschung ein Vakuum, jedenfalls in der Neurologie, während von Seiten der Psychologie durchaus einige interessante Forschungsinitiativen ausgingen.

Von der Pharma-Industrie, die neue Kopfschmerzmedikamente entwickelte, wurde das Fehlen kompetenter medizinischer Ansprechpartner beklagt. In dieser Situation fanden sich einige neurologische und neurologisch-psychiatrische Lehrstuhlinhaber zusammen, um Möglichkeiten einer Neubelebung der deutschen Kopfschmerzforschung zu diskutieren. Drei kleine Symposien, das eine 1976 von H.H. Wieck in Erlangen, das zweite von D. Soyka (Kiel) 1977 in Berlin und das dritte 1978 von H. Gänshirt (Heidelberg) in Ludwigsburg veranstaltet, dienten der Bestandsaufnahme. An dem zweiten Treffen nahmen erstmals auch Kollegen aus Österreich teil. Als erfolgsversprechendster Weg bot sich die Gründung einer interdisziplinär strukturierten Kopfschmerzgesellschaft an, die am 28.6.1979 in Erlangen erfolgte. Gründungsmitglieder waren die Prof. Soyka (Kiel), Gänshirt (Heidelberg), Lechner (Graz), Wieck (Erlangen), Reisner (Wien), Dr. Blaha (Erlangen) und für die Pharma-Industrie Herr J. Walker (Köln). Von diesen war D. Soyka der einzige, aus dessen neurologischer Universitätsklinik in Kiel während der letzten vorangegangenen Jahre eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten über die Migräne hervorgegangen waren, und so wurde Soyka zum 1. Präsidenten der neuen Deutschen Migränegesellschaft (DMG) gewählt.

Vorrangige Ziele der DMG waren die Sensibilisierung der Ärzteschaft und der Bevölkerung für das Thema Kopfschmerz, ärztliche Fortbildung unter Einschluss auch psychologischer Aspekte, Erarbeitung von Therapieleitlinien, Förderung wissenschaftlicher Aktivitäten, interdisziplinäre Kooperation mit anderen, thematisch nahestehenden Fachgesellschaften und mit einschlägigen ausländischen Gremien. Bezüglich künftiger Aktivitäten der Gesellschaft wurde beschlossen, jährlich wechselnd ein internes Symposium und einen größeren Kongress mit angeschlossener Fortbildung zu veranstalten. Ein erstes Symposium fand 1980 in Mettmann bei Düsseldorf statt. 1981 folgte ein von G.S. Barolin organisierter Kopfschmerz- kongress im österreichischen Feldkirch, wo von ihm, J. Kugler und D. Soyka eine erste multizentrische Migränestudie mit umfangreichen klinischen und epidemiologischen Daten sowie psychologischen Testergebnissen präsentiert werden konnte. Das nachfolgende, 1982 von D. Soyka in Kiel organisierte Symposium hatte weitreichende Folgen. An ihm nahmen zwei damals schon sehr renommierte ausländische Kopfschmerzspezialisten teil, nämlich F. Clifford-Rose aus England und O. Sjaastad aus Norwegen, die das Niveau der Referate und Diskussionen offensichtlich erfreut zur Kenntnis nahmen und selbst bereicherten. Beide standen in engem Kontakt mit zahlreichen Kopfschmerzspezialisten rund um die Welt, die im Interesse einer Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Kooperation die Gründung einer internationalen Kopfschmerzgesellschaft für dringlich erachteten. So gab es bis dahin keine einheitliche Klassifikation und Terminologie für Kopfschmerzleiden, sodass ein Vergleich von Publikationen aus verschiedenen Ländern oft nicht möglich war. Bei der Migräne beispielsweise existierten diverse, sich überschneidende Begriffe wie gewöhnliche, einfache, ophthalmische, klassische, komplizierte Migräne, Migraine accompagnée. common, classsical, complicated migraine. Für das Kopfschmerzleiden, das wir heute unter der Bezeichnung Clusterkopfschmerz kennen, gab es verschiedene Bezeichnungen wie z.B. Bing-Horton-Syndrom oder Erythroprosopalgie, der Spannungskopfschmerz wurde auch Cephalaea vasomotorica genannt.

Als die beiden ausländischen Gäste hörten, dass in Deutschland für das nachfolgende Jahr ein großer nationaler Kopfschmerzkongress in München geplant war, kontaktierten sie ihre internationalen Gesprächspartner und Kollegen mit der Überlegung, ob die Deutschen möglicherweise bereit wären, den geplanten nationalen Kongress mit einem Gründungskongress der International Headache Society (IHS) zu verbinden. Auf ein positives Signal der DMG hin wurde D. Soyka zum Gründungspräsidenten der IHS für die Zeit 1982/83 gewählt und München wurde beides, eine nationale und zugleich internationale Veranstaltung, lokal vorzüglich organisiert von A. Schrader und V. Pfaffenrath, präsidiert von D. Soyka. München wurde ein triumphales Ereignis. Die deutschen Medien waren vor Ort und berichteten ausführlich. Nahezu alle namhaften Kopfschmerzspezialisten aus Europa und Übersee waren gekommen, Kontakte wurden geknüpft, die Vorträge waren exzellent. Von diesem Ereignis an war die deutsche Kopfschmerzforschung international wieder präsent und akzeptiert. V. Pfaffenrath wurde erster Generalsekretär de IHS. D. Soyka wurde zum deutschen Mitglied der Migraine and Headache Research Group der International Federation of Neurology gewählt.

Zu den ersten Aufgaben der IHS gehörte die Ausarbeitung und Verabschiedung einer neuen, international verbindlichen Kopfschmerzklassifikation einschließlich präziser diagnostischer Kriterien. Die deutsche Übersetzung erfolgte durch D. Soyka und seine Mitarbeiter in Kiel und erschien, von der IHS autorisiert, 1989 in der Zeitschrift Nervenheilkunde. Die ersten Empfehlungen der DMG zur Behandlung der Migräne wurden 1986 gleichfalls in der Nervenheilkunde publiziert, die dann im weiteren Verbandsorgan der DMG bzw. der späteren DMKG wurde. Im Laufe der Jahre folgten zahlreiche Empfehlungen und Leitlinien zu allen relevanten Kopfschmerzsyndromen und Kopfneuralgien. Tagungen fanden in Königstein/Taunus, Hamburg, Baden bei Wien, Kiel, Freiburg, Münster, Hannover statt.

Auf Grund einer durch Erbschaft wesentlich verbesserten Finanzlage der Gesellschaft konnten von 1989 an regelmäßig Förderpreise für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgeschrieben werden. D. Soyka wurde im Laufe der Jahre fünfmal als Präsident der DMG/DMKG bestätigt und verzichtete 1991 aus gesundheitlichen Gründen auf eine weitere Kandidatur. Die Gesellschaft dankte ihm durch die Verleihung der Ehrenpräsidentschaft, die IHS wählte ihn zum honorary life member. Nach Beendigung seiner aktiven Zeit im Präsidium der DMKG hielt D. Soyka seiner Fachgesellschaft die Treue und besuchte, auch nachdem er eremitiert war, weiter alle Kongresse und nahm aktiv an den Mitgliederversammlungen teil.

Mit seinen Erfahrungen und seinem Rat unterstützte er die Fachgesellschaft in ihrer Arbeit stets gerne. Am 14.4.2012 verstarb D. Soyka im Alter von 82 Jahren. Die DMKG dankt ihrem Gründungspräsidenten für seine wertvolle unermüdliche Arbeit und Unterstützung.

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